Montag, 21. Juni 2010

Mein Klack


Und immer wieder knallen meine Schuhe auf den Asphalt. Alleine bin ich unterwegs, wiedermal alleine. Wozu ist man eigentlich zu zweit, wenn man die schweren Wege dann nur auf seinen eigenen Zweien bewältigen muss? Und immer wieder klick.
Der Kopf parallel zum Boden fällt in die waagerechte Position und keine dritte Schulter zum ausruhen. Der Körper ist alleine einfach nicht zum überleben gemacht. Jedenfalls nicht mehr in dieser Welt. All das Wissen, das man für einen Ausflug ins Einkaufszentrum braucht, lässt sich inzwischen nur noch schwer mit zwei Hirnhälften unterbringen. Besonders weil der Mensch seinen sonstigen Kopfinhalt nicht zur Zwischenspeicherung auf einer Terrabite-Festplatte ablegen kann. Auch eine zauberhaftes Denkarium ist uns traurigerweise vergönnt. Selbst der modernste Homosapien muss sich Wohl oder Übel damit abfinden. Man braucht immer ein passendes Gegenstück, dass einem hilft Tage und Wege wie diesen zu meistern. Und immer wieder klick-klack.

Sonntag, 20. Juni 2010

Ein Lächeln für die Welt

'E'



Die Offensichtlichkeit eines Blicks macht ihn nicht eindeutig. Denn die Interpretation liegt in den Händen des Betrachters. In der Hoffnung des richtigen Verständnisses wird eine Antwort geformt, doch aus Gründen des Geheimnisvollen, bleibt der Mund geschlossen. Der „vielsagende Blick“ macht sich auf den Weg, durch die Augen seines Gegenüber, in den Bereich des Gehirns, der für die Deutung zuständig ist. So muss man wohl auf Gedankenübertragung hoffen.

Wartezimmer


Die bunte Masse treibt vorbei
Ein Schritt vor den anderen
Bässe dröhnen
Slalomverkehr
Ziele haben
oder Blicke schweigen
Ein Zug Schwindel
oder wars Freiheit?
Für die Allgemeinheit.


Es war einer der Morgen an dem die Sonne noch nicht ganz aufgegangen war und man doch wusste, dass es ein schöner Tag werden würde. Ob es auch einer für mich werden würde bezweifle ich allerdings,denn zum einen ist es ungewohnt früh den Tag zu beginnen und zum anderen war die Nacht zu kurz.
Zugegeben es waren eher einige Gläschen zuviel und mein Kopf dröhnt etwas. Aber es hat sich gelohnt, es war eine Gute Nacht. Viel Unerwartetes und so ist es mir am liebsten. Gar nichts planen und das Leben leben lassen. Deshalb stinkt mir auch jeder Termin und jedes Weckerklingeln, denn das kündigt meist ein geplantes Ereignis an.
Sowie an diesem Morgen.
Auch heute hatte mein Wecker viel zu früh geklingelt und ich hatte ihn viele Male wieder ausgestellt und mich von meinen Träumen wieder ins Kissen drücken lassen.
Nun bin ich wiedermal viel zu spät dran und die Fahrradreifen neigen sich der Schwerkraft, aber zum Aufpumpen ist keine Zeit.
Mein Magen sehnt sich knurrend nach etwas Nahrung, aber der muss sich wohl oder übel noch etwas gedulden. Ich hatte es mal wieder erfolgreich geschafft lange nichts zu essen. „Glückwunsch“ ist mein kleiner geheimer Gedanke. Muss aber mit Bedauern feststellen, dass mein Bauch seine Leere aus Rache nach außen gähnt.
Aber das ist mir lieber, als mit einem Völlegefühl in den Tag zu starten.
Die Beats ströhmen durch meinen Kopf und ich fahre viel zu schnell. Eigentlich darf ich ja auch garnicht fahren, aber ich glaube, wenn ich nur schnell genug fahre, falle ich nicht so leicht.
Hat irgendwas mit physikalischen Kräften zu tun oder so, mein Freund weiß das bestimmt. Frag ihn vielleicht nachher mal, wenn ich es nicht vergesse.
Meine Hände sind noch vollgeschrieben mit irgendwelchen Erinnerungen, die höchstwahrscheinlich noch unerledigt sind. Zum Teil sind die eh nicht mehr zu lesen und genau wie meine Lippen rot verschmiert vom Rotwein.
Auch die letzten Ziffern der Nummer von dem Typen gestern, sind nicht mehr zu erkennen. Tja, tut mir Leid, aber ich hätte mich eh nicht gemeldet, mach ich nie.
Wie spät ist es eigentlich? Hoffentlich reicht sie noch für eine.. sonst überstehe ich das Gelaber mit Sicherheit nicht.
Ich wünschte ich wäre einer von den Menschen die Uhren tragen oder wenigstens ein Handy mit einem zuverlässigem Akku besitzen. Aber bei beidem muss ich passen.
Pünktlichkeit gehört nun mal leider nicht zu meinen unendlich vielen unschlagbaren Talenten.
Ist nun auch egal, ich bin angekommen und das fast rechtzeitig. Einige schnelle Züge Schwindel gönne ich mir. Rumorend rebelliert mein Magen erneut und meine Beine zittern, aber das tut gut,viel zu gut als es bleiben zu lassen. Auch wenn meine Selbstgedrehten eher wie Tüten aussehen, das gewünschte Ergebnis erzielen sie doch immer.
Und Schwindel ist für mich immer wie ein wenig Freiheit. Freiheit macht schwindelig.
Grau, furchtbar langweilige Gebäude und wie befürchtet muss ich auch noch in den fünften Stock. Fahrstuhl oder Treppe? Treppe! Dann kann ich mir nach dem ganzen Verein hier einen Sprossenbagel genehmigen, ohne das mir mein Gewissen eine Kriegsklärung macht.
Wie ich kahle, sterile Treppenhäuser hasse, die nur so tun als hätten sie eine Farbe. Von wegen es gibt keine Nicht- Farbe, dies hier ist der Inbegriff einer Solchen.
Ich hab mal gelesen, dass die Dinge wo die meisten Bakterien hausen, Tastaturen, Türklinke und Treppengeländer sind. Also lieber nicht anfassen. Eigentlich bin ich ja nicht Bakterienscheu, aber in so nem Ärztehaus- man weiß ja nie. Fünfter Stock- mein absolutes Ziel des Tages.
Bis hier hin und nicht weiter.
Der Gang ist so lang wie die Langeweile die er widerspiegelt, auch hier hat jemand ganz tief in die Palette für Nichtfarben gegriffen. Die Tür mit der Aufschrift: Psychtherapeutische Beratung Dr. S., scheint wie für mich gemacht. Na, das macht Mut!
Eine Sprechstundenhilfe, ganz in schneeweiß, warum wählen die nichtmal vanille oder so, strahlt mir entgegen. Die Dame pflegt ihre Zähne im Partnerlook zu ihrer Arbeitskleidung. Sie könnte einer Werbung entstiegen sein.
Ich muss mir ein Grinsen verkneifen. Mein Versuch ihr Strahlen zu erwidern, fällt wenig beherzt aus und schließe den Mund schnell wieder. Ich glaube der letzte Rauch aus meiner Lunge beschmutzt die Praxis und die weiße Seele von: Ha! „Frau Weisse“. Das scheint sie auch soeben gedacht zu haben und verzieht argwöhnisch den Mund. Sie rückt ihr Namensschildchen zurecht und fragt mich ob ich einen Termin habe, klar, seit guten zwei Monaten. Zwei Monate Todeszelle um nun von dieser Frau mit Blicken hingerichtet zu werden.
Fängt ja gut an, das Unternehmen „Smilla S. auf dem Weg zu sich selbst“ dankt.
Die gute Fr. Weisse weißt auf die erste Tür „Wartezimmer“ und reicht mir einen Fragekatalog samt Stift (grässliches Design), damit es leichter für Dr. Smith sei, sich in meine Problematiken hinein zuversetzen. Danke, das Ding hab ich schon oft genug ausgefüllt und mein Lebenswerk wird gleich als Problematik abgestempelt.
Das Wartezimmer sieht aus wie alle anderen, nur das der Wasserspender gefüllt ist und reichlich Becher vorhanden sind. Ja, Frau Weisse macht ihren Job gut.
Ich dachte immer so Psychopraxen sollen die Atmosphäre eines Wohnzimmers vermitteln, damit sich der Patient wohlfühlt und seinen Gefühlen freien Lauf lassen kann. Hier hätte ich ein schlechtes Gewissen bei jeder Träne, weil Frau Weisse dann kleine schwarze Pfützen vom geleckten Boden wischen müsste.
Die Fragen sind auch hier keine anderen als anderswo, das nächste mal kopiere in den Katalog, dann kann ich mir das Ausfüllen sparen und das Gespräch vermutlich auch.

Dienstag, 15. Juni 2010

Monogamie


Polygamie ist das was wir tun, während wir zwanghaft versuchen monogam zu sein.

Leise

'Guck in den Himmel und sag mir was du siehst' - 'Sterne' habe ich immer geantwortet und wir standen beide auf dem Deich hinterm Haus und haben unsere Köpfe in den Nacken gelegt. Lange standen wir da und manchmal hast du meine Hand genommen. Dann habe ich deine Daumenspitze ganz leise gestreichelt und gewartet bist du meine Berührung erwiderst, aber du hast es nie getan. Vielleicht waren die Bewegungen auch mehr gedacht, deshalb würde ich dir nie einen Vorwurf machen oder eine Frage formulieren.


Es ist Sonntag. Heute knirscht der Schnee unter meinen Schuhen und die Autos zu meiner rechten sind laut und heizen das Benzin nur so in die Luft. Ich muss husten und stehen bleiben. Taschentücher sind Mangelware in meiner Tasche, das war schon immer so. Beeilen, denn ich muss den Bus noch kriegen und der Weg zur Bushaltestelle ist noch weit. Das große 'H' am Horizont ist noch weiter weg als gedacht, das weiß ich aus Erfahrung. 'H' für Horizont, nettes Wortspiel. Der Winter scheint nicht mein bester Freund zu sein, genau wie die Bässe sirrt sein kalter Wind durch meinen Kopf, als ob er mir das letzte bisschen Sympathie für ihn rauben wollte. Nur leider kann ich ihn, im Gegensatz zu den elektrischen Klängen, nicht runter drehen.

Leise war auch der Schnee. In jeder Eisblume habe ich Gesichter gesehen und dir von ihnen erzählt. Sie sahen jedesmal anders aus. Ich weiß bis heute nicht ob du sie genauso sehen konntest, aber du musstest lächeln. Vielleicht sogar ein kleines, leises Lachen.

Hönisch schreit die Sirene eines Beamtenfahrzeugs, irgendwo in der Ferne, in mein Ohr und lässt mich zusammenzucken. Meine Schuhe sind inzwischen durchnässt und das ich kleine Zehen habe, lässt sich nurnoch durch die Nachbarschaft des Zehs daneben erahnen. Meine Zigarette ist inzwischen fast runtergebrannt und ich suche nach Feuer um die nächste anzuzünden. Auch bei diesem Gegenstand handelt es sich eher um etwas, dass ich mir immer spontan borgen muss. Aber heute scheine ich Glück zu haben, doch es fällt, sicher der Schwerkraft, in den Schnee, der es tonlos auffängt.

Es war sowieso alles eher still. Nicht das wir nie geredet oder Musik gehört hätten. Musik gab es viel, aber auch eher die Stille. Worte standen auch viele im Raum, aber ausgesprochen wurden sie selten. Aber 'still' scheint mir das richtige Wort zu sein.

Ja, der Schnee macht beschwerdenlos Platz für meinen lasterunterstützenden Gegenstand. Vielleicht ist er doch einer der wenigen Verbündeten, die ihre Klappe halten. Möglicherweise ist der Winter doch nicht durch und durch schlecht. Er schluckt alles Böse und bedeckt es mit einer leuchtenden weißen Masse, die alles weniger Übel aussehen lässt.

So ist das mit den Symbolisten. Sie umschreiben eine bestimmte Sache mit wortgewaltigen Reden, aber sparen das Eigentlich aus. Ich denke Sprachnot ist das falsche Wort. Vielleicht ist es die Spannung, der Reiz. Der Weg zur Erkenntnis das eigentliche Ziel.

Gleich hab ichs geschafft. Niemand sonst steht an der Haltestelle. Jetzt taucht der Bus am Horizont auf, diesmal steht das große 'H' auf meiner Seite. Schon wieder das 'H'. Das Lächeln hätte ich mir mal sparen können, die Zigarette fällt mir aus dem Mund in die reaktionsbewusste, ausgestreckte Hand.

Ich denke ich hatte nie wieder solche Schmerzen, aber ich war auch nie wieder so glücklich wie damals auf dem Deich, der Kopf in meinem Nacken und meine Hand in der deinen.